Meine Geschichte

Seelenwanderung

Es war einmal eine Seele, die wollte wissen, wer sie eigentlich sei. Sie schwamm im Meer der Unendlichkeit mit all den anderen Möglichkeiten. Zusammen waren sie die göttliche Quelle. Und die Quelle sagte, sie sei Licht. Aber um sie herum war ja auch nur Licht. 

 

Also formte sie sich zu einem Tropfen und stieg aus dem Meer. 

 

Nun war sie ein Tropfen Licht, umgeben von nichts. Das reichte ihr noch nicht. Und wie kann man sich besser sehen, als in einem Spiegel? Also teilte sich der Tropfen. Die beiden Seelentropfen wurden leichter und sie stiegen auf. Und plötzlich waren sie wieder von Licht umgeben, das Licht vieler anderer Seelentropfen, die sich die selbe Frage gestellt und sich geteilt hatten. Sie waren im Himmel und spürten die Verbundenheit mit all den anderen Seelen.

Im Himmel erfuhren die beiden Tropfen, dass es viele Welten gibt, auf denen sie eine Antwort auf ihre Frage finden könnten. Und das die Antwort ziemlich schwierig sei. Eine andere Seele, die schon sehr lange auf der Reise war, sagte zu ihnen: "Ihr seid Licht, das wisst ihr ja schon. Und ihr seid Liebe, ihr spürt ja schon die Verbundenheit zu all den anderen Seelen. Aber die Liebe ist nichts, was ihr verstehen könnt. Die müsst ihr fühlen. Und dafür müsst ihr in eine Welt geboren werden. Ihr braucht einen Körper mit dem ihr euch erfahren könnt. Bevor ihr eure Reise antretet, macht ihr einen groben Plan, was ihr erleben wollt. Dabei helfen euch erfahrene Seelen. Aber das schwierige kommt noch. Wenn ihr in eurem Körper ankommt, vergesst ihr, dass ihr Licht und Liebe seid. Es geht also darum diese Antwort in einem Körper wiederzufinden. Und um wieder hierher zurück zu kommen, müsst ihr den Körper wieder verlassen. Solange ihr eure Antwort nicht gefunden habt, wird diese Vorstellung schrecklich sein. Weil ihr denken werdet, dass sterben das Ende ist. Aber ihr werdet euch daran gewöhnen."

Die beiden Seelen hatten Respekt vor der Reise, aber sie wollten unbedingt eine Antwort auf ihre Frage bekommen. Also planten sie ihr erstes gemeinsames Leben und machten sich auf die Reise. Und so führten sie viele gemeinsame Leben, immer als Spiegel des anderen. Als Mutter und Tochter, als Lehrer und Schüler, als Vater und Sohn, als Täter und Opfer. Irgendwann hatten sie so viele gemeinsame Leben verbracht, dass sie die Antwort schon auf der Erde spüren konnten. Zusammen strahlten sie Licht und Liebe aus. 

 

Als sie nach unzähligen Leben wieder im Himmel waren, entschieden sie einen Schritt weiter zu gehen. Sie wollten die Antwort im nächsten Leben auch ohne einander finden. Sie wollten sich trennen, einer sollte auf der Erde bleiben und einer zurück in den Himmel kommen. Und dann wollten sie den Kontakt wiederfinden und so ihrer beider Licht strahlen lassen.

 

 

Sie kamen auf die Erde als Bruder und Schwester und spiegelten sich wie die Male davor. Sie spielten, lachten und genossen ihr Leben. Sie hatten den Zeitpunkt des Abschieds früh gewählt. Und so geschah es. Sie saßen auf einer Lichtung als ein Wolf aus dem Wald schoss und den Bruder einfach zerfleischte. Und die Schwester war so entsetzt ob des Grauens und ihrer Machtlosigkeit, dass sie das Liebste in ihrem Leben nicht beschützen konnte, dass ein Teil von ihrem Seelentropfen gefror. Und sie schrie "Du darfst nicht sterben, ich kann ohne dich nicht leben." Der Seelentropfen des Bruders hatte sich schon aus dem Körper gelöst und sah das Licht des Himmels. Aber der Schmerz seiner Schwester ließ auch einen Teil von ihm gefrieren. Und so ging er nicht ins Licht, sondern blieb bei seiner Schwester. 

Fortan führten sie ein Leben zu zweit in einem Körper. Die Schwester wusste nicht, dass ihr Bruder noch da war und quälte sich mit Schuldgefühlen. Und die Seele des Bruders war da und litt, weil er seiner Schwester nicht helfen konnte. Die Schwester wuchs heran und bestrafte sich selbst. Sie wählte die Abgeschiedenheit des Waldes, um sich vor der Welt zu schützen und arbeitete als Heilerin, um die Welt vor dem Leid zu schützen. Aber die gefrorene Schuld und Scham taten ihr übriges. Als sie bei einer Entbindung half, kam das Kind tot zur Welt. Die Nabelschnur war um den Hals gewickelt. Der unsagbare Schmerz des Vaters und die Schuldgefühle im Innern der Seele inszenierten eine Hinrichtung als Hexe.  Aber während sie dann am Galgen hing und ihr Körper langsam starb, erkannte sie plötzlich die Schönheit des Lebens und dass sie selbst sich vom Leben abgehalten hatte. Sie fing wieder an zu leuchten und erkannte in ihrem eigenen Licht auch den Tropfen ihres Bruders. Aber es war zu spät für dieses Leben.

 

Im Himmel angekommen brauchten die beiden Seelentropfen eine ganze Weile, um aus dem letzten Leben schlau zu werden. Aber sie spürten, dass immer noch ein Teil von ihnen gefroren war. Und sie hatten bereits gelernt, dass solches Eis nur auf der Erde schmelzen kann. Also schmiedeten sie einen neuen Plan.

 

Diesmal kamen sie gleichzeitig auf der Erde an, als eineiige Zwillinge. So konnten sie ihre Verbundenheit vom ersten Moment spüren. Aber als sie ankamen, war der Plan natürlich wieder vergessen. Sie spielten und wuchsen eine Zeitlang gemeinsam im Bauch ihrer Mutter. Bis auch hier der Zeitpunkt des Abschieds kam, nur noch früher. Und die Geschichte wiederholte sich. 

 

 

Und die kleine Seele zerbrach in drei Teile. Der Körper speicherte all den Schmerz, die Trauer und die Wut. Und den Willen zu leben und sich selbst auszudrücken. Und in dem kleinen Gehirn wuchsen zwei Stimmen heran, die ständig miteinander stritten. Eine Opferstimme, die sagte "Diese Welt ist schrecklich, alle wollen dir nur wehtun!" und eine Täterstimme "Solches Leid ist unerträglich, du musst das verhindern!" Und im Energiefeld entstand ein Loch durch die eingefroren Anteile. Durch dieses Loch strömte die Außenwelt und alle Energien ungefiltert in das kleine Menschlein. Aber die Seele und der Körper überlebten und wuchsen weiter heran. Eines Tages stritten die Mutter und der Vater sich entsetzlich. Und die Opferstimme sagte, das will ich nicht erleben. Und die Täterstimme sagte, du darfst deine Mutter nicht alleine lassen, ihr Schmerz ist zu groß. Und so wickelte sich das Menschlein die Nabelschnur um den Hals und versuchte das Leid zu verhindern. Aber das konnte nicht funktionieren, wenn eine Seele beschließt zu leben, können Gedanken sie nicht aufhalten. Die Geburt kam und eine weitere Angst brannte sich in die Zellen ein und ließ die Stimmen im Kopf wachsen. Sie wollten nicht atmen, die wollten diese Art zu leben nicht. Aber der Körper setzte sich durch und übernahm das Ruder. Und im Bauch wuchs die Wut auf diese beiden Stimmen und der Wille zu leben wuchs auch weiter. Alles in allem wuchs das Mädchen trotzdem zu einem munteren Kleinkind heran, aber die Stimmen im Kopf blieben und die Wut im Bauch. Eines Tages entschieden die Stimmen im Kopf auf den Dachboden zu gehen und die Wut im Bauch versuchte sie zu warnen. Aber die Stimmen waren zu laut und das unfassbare geschah.